Die Versicherungsbranche
von Oliver Lexa

Die Versicherungsbranche wandert im Moment über holprigen Boden. Die Riester-Rente brachte nicht das erhoffte Geld in die Kassen. Von über 30 Millionen staatlich Rentenförderberechtigten haben bisher erst ungefähr 2,5 Millionen die Möglichkeiten der Rieser-Rente durch den Abschluß entsprechender Verträge genutzt. Viele wollen diese nun auch wieder rückgängig machen. Eine schwierige Situation, sollte die private Altersvorsorge doch in Zeiten der fallenden Aktienkurse und niedrigen Zinsen der große Renner sein. Wieso sieht es aber in der Branche so schlecht aus?

Die schlechte Börsensituation hat die stillen Reserven (Differenz zwischen dem in der Bilanz ausgewiesenen Buchwert von Kapitalanlagen und deren tatsächlichen Wert) der Versicherungsunternehmer seit Januar 2000 um circa 35 Milliarden Euro schrumpfen lassen. Natürlich sind die stillen Reserven für schlechte Zeiten gedacht. Aber man sollte sie nicht unter eine bestimmte Grenze sinken lassen. Fast alle Lebensversicherer schütteten aber im letzten Jahr mehr an ihre Kunden aus, als sie erwirtschafteten. Wegen der Angst, Kunden zu verlieren, wurden die Überschüsse nicht abgesenkt. Und woher kam dieses Geld? Aus den stillen Reserven. Dies führte dazu, daß 19 deutsche Versicherungsgesellschaften ein negatives Anlageergebnis vorweisen, neun weitere (meist kleine) Versicherer gar keine stillen Reserven mehr haben. Wie kam es dazu?
Erstmal spielt hier natürlich die aktuelle Börsenlage eine Rolle. Doch dies ist keine Entschuldigung für die häufig falsch kalkulierte Anlagepolitik der Versicherer während dem Börsenboom der Neunziger. Viele Versicherer haben zu dieser Zeit den Aktienanteil ihrer Kapitalanlagen von 8% auf bis zu 20% erhöht.

Aber es leuchtet ein Zeichen am Himmel. Und dieses Zeichen lautet § 341 b HGB (Handelsgesetzbuch). Dieser Paragraph sieht vor, daß Versicherer Kursverluste nicht mehr sofort abschreiben müssen. Versicherer können also ihre Verluste am Aktienmarkt als kurzfristig erklären und auf folgende Bilanzen hinausschieben. Dies bringt natürlich nur etwas, wenn sich die Lage an der Börse erholt. Danach sieht es aber nicht aus und schon werden die ersten Stimmen laut, die behaupten, Deutschland könnte Japan folgen. Dort mußten Ende letzten und Anfang diesen Jahres mehrere traditionsreiche Lebensversicherer den Bankrott erklären. Dies würde vor allen die kleinen Versicherer treffen. Die großen, finanzstarken Versicherer werden in ihrer Position dadurch nur gestärkt.

Schon seit Mitte 1999 warnte das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) vor einer Beschönigung der Situation. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) blieb gelassen. Dort meinte man, das bei weiterhin schlechter Kapitalmarktsituation, eine Absenkung der Überschussbeteiligung um einen Prozentpunkt bevorstehe. Alles in allem wäre man optimistisch, das die Möglichkeit einer Nettoverzinsung von 5% bestehe.
Was aber passiert, wenn ein Unternehmen tatsächlich nicht mehr in der Lage ist zu zahlen? So ist dies z.B. in Detmold kürzlich passiert. Die Familienfürsorge konnte ihren Verpflichtungen nicht mehr nachgehen. Der Versicherer wurde unter Zwangsverwaltung der Aufsicht gestellt um zu gewährleisten, das den Versicherungsnehmern kein Schaden entsteht.

Die Bundesanstalt für Finanzaufsicht verfügt über verschiedene Möglichkeiten um einen drohenden Konkurs zu verhindern. Zusammen mit dem GDV wurde ein Finanzpool geschaffen, um bedrohte Unternehmen zu helfen. Man darf nicht vergessen, das ein Konkurs einen nachhaltigen Imageschaden für die Versicherungsbranche bedeuten würde, der das Vertrauen der Bürger (und somit auch zukünftiger Kunden) belasten würde. Aber dies sei nach der GDV nicht zu befürchten. So sollen von den Kapitalanlagen über 80% (das wären circa 540 Milliarden Euro) in festverzinslichen Wertpapieren und Immobilien angelegt worden sein. Nur circa 15% in Aktien. So würden auch niedrigere Kurse nicht schwer zu Buche schlagen. Außerdem wäre immer noch der Finanzpool da, um die angeschlagenen Unternehmen zu stützen.
Die Verbraucherzentrale schlug trotzdem Alarm. Viele Verbraucher fühlen sich betrogen von den Versicherungen, da sie die hohen Auszahlungsprognosen von Beispielkalkulationen als verbindliche Zusage werteten.

Wie sieht aber ein Ausweg aus?
Es könnte helfen, wenn Versicherer nicht mehr mit unhaltbaren Aussagen werben. Die würde aber auch bedeuten, daß die Versicherten sich nicht von den Medien so leicht verunsichern lassen sollten. Die Versicherten müssen begreifen, daß die Zeit der 8 - 10% vorbei sind. Sie sollten sich lieber vor Augen halten, dass es nur einen Anspruch auf einen Garantiezins von 3,25% gibt. Solange man dies bedenkt, kann man auch nicht von Negativentwicklungen enttäuscht werden.

Waren für viele Verbraucher Aktien bisher eher eine nette Freizeitbeschäftigung und Lebensversicherungen eher konservative Langzeit-Sparbücher, kam nun die Belehrung. Viele Amateurspekulanten belächelten die Lebensversicherungen aufgrund der geringen Rendite. Doch dann der Schock. Die Aktien der Dt. Telekom, die Volksaktie Nummer 1, brach ein. Schon feierten sich die konservativen Sparer als Gewinner über die neumodische Aktienanlage, da wurden sie auch vom Absinken der Überschüsse überrascht.
Es wäre also zu raten, das Verbraucher beim Neuabschluss einer Lebensversicherung nicht nur auf die Überschussbeteiligung schauen, sondern auch auf die stillen Reserven, die Anlageergebnisse und auf die Verwaltungskosten des Versicherers achten.

Aber trotz der schwierigen Zeiten erleben viele Versicherer Beitragszuwächse.
So ließen sich z.B. die Hamburg-Mannheimer, der Direktversicherer Europa und die Provinzial Düsseldorf durch geschickte Anlagepolitik nicht zu sehr von den schlechten Aktienmärkten überraschen. Sie erwirtschafteten sogar noch gute Ergebnisse. Auch sind viele Lebensversicherer mit hohen, stillen Reserven gesegnet. Hier stehen vor allem die Branchengiganten Allianz, Asstel und Hamburg-Mannheimer an erster Stelle. Ebenso die Victoria, die deutsche Ärzte Versicherung, die Alten Leipziger und der Volkswohl Bund.
Die Allianz Leben hat hat dreimal mehr Rentenversicherungen verkauft als im Vorjahr. Die Axa Leben will eine Volumenbeitragserhöhung aus Neugeschäften bei Rentenpolicen um 22% erreicht haben.

Dies zeigt, dass Anleger in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Schutz und Sicherheit suchen - und finden dies in Form von kapitalbindenden Lebenspolicen.

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