Der Konjunkturzyklus
von Carsten Lexa

Wie von der modernen Wirtschaftswissenschaft dargelegt, bewegt sich der Konjunkturzyklus weitgehend nach einem Standartmuster.

Der erste Abschnitt ist der Konjunkturaufschwung oder die Expansion, danach folgt die wirtschaftliche Hochphase, anschließend kommt es zu einem Abschwung oder Rezession und endet schließlich in einer Wirtschaftsflaute. Im Durchschnitt dauert die Aufschwung- oder Expansionsphase des 20. Jahrhunderts ungefähr vier bis sechs Jahre. Rezessionen sind in der Regel viel kürzer, im Durchschnitt ungefähr ein oder zwei Jahre. Entsprechend sind auch Bärenmärkte von kürzerer Dauer als Bullenmärkte.
(Die 30er- und 70er-Jahre waren die Ausnahme von der Regel. Die 30er-Jahre waren zwar mit ein paar sporadischen konjunkturellen Erholungsphasen durchsetzt, aber im Großen und Ganzen war es eine Dekade der Rezession. Die 70er-Jahre waren ein sehr unbeständiges Jahrzehnt, das zwischenzeitlich sowohl schnelle Erholungsphasen als auch scharfe Konjunktureinbrüche inne hatte.)

Sehr allgemein gesprochen bringt eine Rezession in der Regel niedrigere Zinsen mit sich; sie fallen, weil die konjunkturelle Abschwächung die Notenbanken davon überzeugt, dass die Inflation, das pure Gift für die Existenz des Anleihemarktes, mit der Abkühlung der Wirtschaft verschwindet, und deshalb die Zinsen gesnkt werden (außerdem kann man - z.B. in Amerika, da dort auch, im Gegensatz zu Europa, die Notenbank das Wirtschaftswachstum im Auge hat - Zinssenkungen zum Ankurbeln der Wirtschaft nutzen). Anleihen nehmen die wirtschaftliche Abschwächung oder Rezession durch eine Kurserholung vorweg (weil die Anleger ihr Geld aus "unsicheren" Aktien abziehen und "sichere" Anleihen kaufen). Mit steigenden Anleihekursen sinken die Anleiherenditen, worin die abnehmende Inflationswirkung der Anleger zum Ausdruck kommt.
Der Aktienmarkt, der sein Stichwort von den sinkenden Zinsen erhält, beginnt aufzuholen, in manchen Fällen auf fast mysteriöse Weise, da die Investoren oder Normalbürger nicht um die beflügelnde Wirkung von sinkenden Zinsen wissen (sinkende Zinsen schmälert die Anleiherendite, so daß ab einem bestimmten Punkt Aktien für die Investoren wieder interessant werden).

Schließlich beginnen im Zuge einer erstarkenden Wirtschaft und anziehender Nachfrage die Preise von Gütern und Dienstleistungen zu steigen. Es ist die neu entfachte Nachfrage, die bewirkt, dass sowohl Unternehmen als auch Verbraucher mehr für ihr "Zeug" bezahlen. Der Prozess setzt sich fort, bis die Notenbanken in den steigenden Preisen eine Gefahr für das wirtschaftliche Wachstum sehen. Die Inflationsangst veranlasst die Notenbanken, die Zinsen zu erhöhen. Die Zinssteigerungen drosseln das Wirtschaftswachstum oder führen, wenn die Notenbanken aggressiv gegen die Inflation vorgehen müssen, zur Rezession.

Und so beginnt der Zyklus von neuem......

Der immer noch berühmt-berüchtigte Karl Marx gehört zu den ersten Nationalökonomen, welche die systemimmanenten Auf- und Abschwungtendenzen in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung erkannte. Marx war der Meinung, dass die starken Konjunkturschwankungen des kapitalistischen Wirtschaftssystems letztendlich zu seinem Untergang führen würde. Er hatte Unrecht.
Nikolai Kondratieff, ein Volkswirtschaftler der Lenin-Ära, der von den Bolschewiken angeheuert wurde, um Marx zu bestätigen, untersuchte Anfang 1900 die Konjunkturzyklen der westlichen Länder. Anhand von bis ins England des 17. Jahrhunderts zurückreichende Preisdaten für Güter wie Weizen und Mais fand Kondratieff heraus, dass die kapitalistischen Wirtschaften wellenförmig verlaufen waren. Und es gab ungefähr alle 60 Jahr, so entdeckte er, lange Wellen allgemeiner Prosperität mit abschließenden massiven Abschwüngen.
In gewisser Weise konnte er Marx bestätigen. Kapitalistische Wirtschaften tendieren dazu, regelmäßig von Aufschwung zu Rezession oder von Boom zu Baisse zu pendeln. Aber zum Verdruss der russischen Regierung beobachtete er auch, dass in jeder Rezession der Keim des Wiederaufschwungs angelegt war. Dies traf sowohl für die regelmäßigen Rezessionen und Aufschwünge als auch für die im Westen erreichten längeren Wellen zu. (Bedauerlicherweise brachte Kondratieff die Tatsache, dass er nicht beweisen konnte, dass der Kapitalismus bald unter der Last seiner bourgeoisen Exzesse zusammenbrechen würde, statt des Nobelpreises für Ökonomie einen Platz im Gefängnis ein.)

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